Klangwelten Am Evangelischen Berufskolleg Wittekindshof erhalten angehende Fachkräfte musikalische Inspiration

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Musik spielt eine wichtige Rolle in der pädagogischen Arbeit. Umso wichtiger ist es, dass angehende Fachkräfte das richtige Rüstzeug für ihren Berufsalltag erhalten. Am Evangelischen Berufskolleg Wittekindshof lernen Auszubildende, wie sie mithilfe von Musik Menschen fördern und integrieren können. Zwei Lehrkräfte und zwei angehende Erzieherinnen berichten:

Der Raum

Tanja Danielsen ist Lehrkraft für Sozialpädagogik am Evangelischen Berufskolleg Wittekindshof. Sie unterrichtet angehende Erzieherinnen und Erzieher und ist unter anderem zuständig für das Lernfeld „musisch-ästhetische Bildung und Spiel“.

„Wenn man unseren Musikraum betritt, wirkt er erstmal karg“, beschreibt Tanja Danielsen und lässt ihren Blick durch den gelbgestrichenen Raum schweifen. Neben einer interaktiven Tafel an der Wand und einem Klavier in der Ecke ist der Raum tatsächlich leer. „Das hat einen guten Grund. So können die Auszubildenden völlig frei neue Ideen entwickeln“, sagt die Lehrerin. Der leere Raum wecke keine Erwartungen und nehme die Scheu vor der Musik.

„Viele denken schnell an den klassischen Schulunterricht, wenn wir uns mit dem Lernfeld „musisch-ästhetische Bildung“ beschäftigen.“ Dabei gehe es gar nicht ums Notenlesen, das absolute Gehör zu entwickeln oder den Ton zu treffen. Darum sei auch keine musikalische Ausbildung nötig. „Wir wollen den Auszubildenden das mitgeben, was sie später den Kindern in ihrer Erzieherinnen- und Erzieherlaufbahn vermitteln sollen: Die Freude an der Musik und am Musikmachen.“

Das funktioniere nur durchs Ausprobieren. Und dafür gibt es eine Auswahl an niedrigschwelligen Instrumenten, wie Rasseln, Trommeln und Tamburine. Diese sind immer schnell griffbereit – im angrenzenden Nebenraum.

Die Ausdrucksform

Kira Beeg ist Lehrkraft für Sozialpädagogik am Evangelischen Berufskolleg Wittekindshof. Sie unterrichtet angehende Heilerziehungspflegerinnen und -pfleger. Teil der dreijährigen Ausbildung ist auch das Unterrichtsfach „kreativ-musisches Gestalten“.

„Musik kennt keine Behinderung. Sie kann ein Ausdruck von Selbstbestimmung sein und die Selbstwirksamkeit steigern“, sagt Kira Beeg. Eine Erfahrung, die nicht nur die Entwicklung von Kindern begünstige, sondern auch Fördermöglichkeiten für Menschen mit Behinderung biete. Daher sei das Unterrichtsfach „kreativ-musisches Gestalten“ ein wichtiger Bestandteil in der Ausbildung der angehenden Heilerziehungspflegekräfte. „Durch Musik können wir unserer Stimme einen Raum geben, uns Gehör verschaffen oder eine bestimmte Wirkung erzielen, etwa die Umgebung mit Klang erfüllen“, so die Lehrerin.

„Es geht aber nicht nur ums Musizieren, sondern darum, praktische Tipps für Bildungsarbeit zu geben“, betont Kira Beeg. Das Basteln von Instrumenten steigere beispielsweise die Kreativität und fördere die Motorik. „Musik kann aber auch entspannen, etwa beim Snoezelen.“ Im Unterricht werde daher der kreative Prozess angestoßen, aus dem die angehenden Fachkräfte in ihrer täglichen Arbeit schöpfen können. „Dazu beschäftigen wir uns zunächst mit unserer eigenen Musikbiografie: Welche Musik gefällt uns? Was lösen bestimmte Lieder in uns aus? Warum hören wir Musik?“ Die Antworten auf diese Fragen böten einen Einblick in unterschiedliche Lebenswelten.

Die Klanggeschichte

Sina Janke macht eine Ausbildung zur Erzieherin, die sie im August 2021 begonnen hat. Sie ist in einer Kindertagesstätte in Bünde tätig.

„Ich habe mich sehr auf das Lernmodul gefreut“, sagt Sina Janke. „Musik kann schon in den Allerkleinsten Emotionen auslösen.“ In der Kindertagesstätte, in der sie ihre dreijährige Ausbildung absolviert, gehört das Singen zur täglichen Routine: Zur Begrüßung gibt es ein Lied, ebenso wie zu den gemeinsamen Mahlzeiten. „Im Unterricht am Berufskolleg haben wir eigene Klanggeschichten entwickelt und Bilderbücher vertont, mit Instrumenten und Alltagsgegenständen“, berichtet Sina Janke. Zweimal wöchentlich besucht die angehende Erzieherin das Berufskolleg.

„Ich schätze besonders die praktische und niedrigschwellige Herangehensweise in den Unterrichtseinheiten. Ich bin zwar nicht sehr musikalisch, aber durch die Lerneinheit, weiß ich, wie ich Musik einsetzen kann. Und so habe ich das Erlernte direkt bei der Arbeit ausprobieren können.“

Gemeinsam haben die Jungen und Mädchen in der Kindertagesstätte Wetterphänomene vertont: „Beim Schnee waren sich schnell alle einig: Es müssen Rasseln sein.“ Schwieriger waren dagegen Alltagsgeräusche. Wie klingt es, wenn man schnarcht, und welches Instrument trifft den richtigen Ton? „Wir haben verschiedene Instrumente ausprobiert. Am Ende fiel die Entscheidung der Kinder auf eine Ratsche.“

Die Integration

Emily Schneider ist im ersten Ausbildungsjahr. Sie absolviert ihre Ausbildung zur Erzieherin in einer Kindertagesstätte in Bad-Oeynhausen-Rehme.

Musik hilft dabei, Emotionen auszudrücken, wenn einem die Worte fehlen: Das hat Emily Schneider bereits in ihrem ersten Ausbildungsjahr festgestellt. „Jungen und Mädchen aus unterschiedlichen Kulturkreisen besuchen die Kindertagesstätte, in der ich meine Ausbildung mache. Nicht alle sprechen Deutsch und können sich untereinander verständigen. Aber durch Musik und Bewegung haben sie die Möglichkeit, ihre Gefühle auszudrücken und miteinander in Kontakt zu kommen“, sagt Emily Schneider.

Aktuell werde die Kita neugebaut und befinde sich für den Übergang in einem Gemeindehaus. „Unsere Instrumentensammlung ist derzeit sehr reduziert. Aber durch den Unterricht weiß ich, dass es nicht immer Trommeln, Xylophone oder Triangeln sein müssen, um Klänge und Geräusche zu erzeugen und damit eine Geschichte zu erzählen.“ Alltagsgegenstände oder die eigene Stimme können genauso wirkungsvoll sein, um zu vertonen, wie ein Löwe klingt, oder wie ein Tiger durch das Gebüsch schleicht. „Außerdem stärkt der Einsatz der eigenen Stimme das Selbstbewusstsein“, hat die angehende Erzieherin festgestellt. Und so hätten trotz sprachlicher Barrieren alle Kinder den Mut aufgebracht, so laut zu brüllen wie ein Löwe.

Der Bericht ist in der Ausgabe "Taktvoll" des Magazins "Durchblick" erschienen.