Experten in Sachen Huhn Federvieh fördert soziales Miteinander

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Patrick Overberg weiß genau, womit er die Hühner anlocken kann. Aufgeregt gackern Karen, Phoenix, Alice, Kiki und Snow White, während der 20-Jährige eine Banane schält. „Dann sind sie eigentlich immer sofort da“, sagt Overberg und streckt den Hennen die Frucht entgegen. Begierig picken sie drauflos. Das Gehege der fünf Hühner befindet sich im Garten des Wittekindshofer Wohnhauses an der Weststraße mitten in Bad Oeynhausen. Im Wohnhaus leben 16 Menschen mit Autismus- Spektrum-Störung, die von der Diakonischen Stiftung unterstützt werden.

Seit 2018 halten die Bewohnerinnen und Bewohner Hühner. „Die Männer und Frauen sind mit sehr viel Herzblut bei der Sache. Da hat sich Expertenwissen angesammelt. Doch die Herausforderungen liegen im sozialen Miteinander“, weiß Bereichsleiterin Sabrina Strunk. Denn bei der Versorgung der Tiere sind verlässliche Absprachen und Teamarbeit gefragt. „Wir haben einen genauen Plan, wer sich wann ums Füttern kümmert“, sagt Patrick Overberg. Er streicht über das weiße Federkleid von Karen. Die Henne sitzt mittlerweile auf seiner Schulter. Den Trick hat er ihr beigebracht.

„Futter ist ein guter Motivator“, weiß Overberg und streckt dem Huhn ein weiteres Stück Banane entgegen. Er hat in den vergangenen Jahren viel über die Tiere gelernt. „Am meisten erstaunt hat mich, dass Hühner auch Zungen haben. Das habe ich vorher nicht erwartet“, erinnert Overberg sich.

Eigenes Gartenhäuschen

Die weiße Henne blickt derweil von ihrem Schulter- Ausguck auf das Gartenareal des Wohnhauses. Hier haben die Tiere ihren Stall – oder vielmehr ein eigenes Gartenhäuschen. Gemeinsam mit Mitarbeitenden haben die Männer und Frauen die Holzwände zusammengezimmert und das Dach eingedeckt. „So haben die Hühner viel Platz“, sagt Overberg, während er Karen wieder ins Gras setzt. Gerade in Corona-Zeiten sind die Hühner eine willkommene Abwechslung. „Wir können das Außengehege durch einen mobilen Zaun erweitern und haben so einen guten Blick auf die Hühner. Besonders bei gutem Wetter schauen immer wieder Bewohnerinnen und Bewohner, was die Hennen so treiben und beobachten sie“, sagt Sabrina Strunk.

So auch Urs Daniel Nußbaum. Er erinnert sich noch daran, wie die Männer und Frauen gemeinsam ein Küken aufgezogen haben, das sie Charly tauften. „Wir haben das Ei mit einer Wärmelampe ausgebrütet, bis das Küken geschlüpft ist.“ Aus Charly wurde jedoch schon bald ein stattlicher und vor allem stimmgewaltiger Hahn, der um 5 Uhr morgens die Nachbarschaft weckte. „Deshalb haben wir ein neues Zuhause für ihn gefunden, wo er ein artgerechtes Leben führen kann und keine Nachbarn in unmittelbarer Nähe hat, die durch das Krähen gestört werden.“

Nußbaum ist Teil einer Projektgruppe, die es sich zum Ziel gesetzt hat, neue Kontakte zu anderen Einrichtungen und Vereinen zu knüpfen. „Denn das war unser Ursprungsgedanke, als wir die Hühner angeschafft haben. Gerade für Menschen mit Autismus-Spektrum-Störung liegen die Herausforderungen im sozialen Umgang. Mit Hilfe der Hühner wollen wir aufeinander und auf Fremde zugehen“, sagt Sabrina Strunk. „Wir haben bereits Konzepte überlegt, wie wir Besuchern und Gästen unsere Hühner vorstellen können, ohne die Tiere dabei zu stressen“, sagt der 31-Jährige. „Aber dann kam Covid-19.“ Deshalb ruhen die Planungen vorerst. Der Freude an den Tieren tut das aber keinen Abbruch, sind sich Overberg und Nussbaum einig. „Die Eier nutzen wir natürlich auch“, bekräftigt Overberg. „Fürs Frühstück oder zum Kuchenbacken. Der Teig bekommt eine viel kräftigere Farbe und ich finde, dass die Eier frischer schmecken.“

Durchblick

Der Bericht ist in der Ausgabe "Tierisch" des Magazins "Durchblick" erschienen.