Gronau (ACL). Im Rahmen des bundesweiten Aktionstages „Schichtwechsel“ haben etwa 4.200 Menschen ihre Arbeitsplätze getauscht, um den Austausch zwischen Menschen mit und ohne Beeinträchtigung zu fördern. Auch die Wittekindshofer Werkstätten in Gronau nahmen an der Aktion teil und konnten die Unternehmen Janus Logistics, Trinkgut Welling und NeuFilter als Partner gewinnen.
Geschäftsführer macht mit
Vorsichtig schiebt Frank Brandt die Federleisten durch die Schlaufen des Gurtbandes und befestigt sie am Lattenrost. Normalerweise sorgt der Geschäftsführer von Janus Logistics dafür, dass in seinem Unternehmen die Prozesse reibungslos ablaufen. Doch an diesem Tag arbeitet er in der Montage-Abteilung der Wittekindshofer Werkstätten und tauscht seinen Arbeitsplatz mit Volker Schröder. „Da wir schon länger mit dem Wittekindshof kooperieren und mittlerweile drei Menschen aus der Stiftung bei uns beschäftigen, finde ich es toll, jetzt auch den Arbeitsalltag in den Werkstätten kennenzulernen“, sagt Frank Brandt und macht sich gemeinsam mit seinen „neuen“ Kollegen an die nächsten Lattenroste.
Dabei bleibt genug Zeit für den einen oder anderen Plausch, denn die Neugier auf beiden Seiten ist groß. „Ich bin richtig herzlich aufgenommen worden und konnte überall mal mitarbeiten“, resümiert er. Volker Schröder prüft währenddessen in der großen Lagerhalle des Logistikunternehmens an der Hans-Klaas-Straße eine Palette voller Pakete. Zu Beginn des Schichtwechsels sei er aufgeregt gewesen: „Das ist schon was anderes als in der Werkstatt. Aber alle sind freundlich hier“, erzählt er, während er die Daten der Pakete notiert.
„Super fleißig“
Auch Markus Samat fühlt sich an seinem neuen Arbeitsplatz bei Trinkgut Welling sichtlich wohl. In der Gronauer Filiale des familiengeführten Getränkelieferanten lernt er die verschiedenen Bereiche kennen. Mit dem Hubwagen bringt er Getränkekisten vom Lager in den Verkaufsraum, füllt Regale auf und räumt Leergut weg. „Markus ist super fleißig“, lobt Marktleiter Ingo Vehlow, der nicht lange zögerte, als er von Klaus Hogelucht-Schücker, Fachkraft für Übergangsförderung bei den Wittekindshofer Werkstätten, für die Aktion angesprochen wurde. „Mit dem Schichtwechsel möchten wir Arbeitnehmern und Unternehmen einen Einblick in unsere Arbeit geben und gleichzeitig Menschen mit Beeinträchtigung die Möglichkeit bieten, ein anderes Arbeitsumfeld kennenzulernen. Ziel ist es, den Austausch zu fördern und neue Perspektiven zu schaffen. Das baut auch Vorurteile und Berührungsängste ab“, erklärt Klaus Hogelucht-Schücker.
Während Markus Samat den Hubwagen rangiert, heißt es für Elias Kacho „Bretter statt Bier“. Der Trinkgut-Mitarbeiter arbeitet in der Wittekindshofer Schreinerei und ist beeindruckt: „Ich hätte nicht gedacht, dass die Werkstätten so groß sind. Für mich ist das eine völlig neue Erfahrung, ich habe vorher nie im Handwerk gearbeitet.“ Doch seine anfänglichen Zweifel ist unbegründet: Dennis Hart arbeitet schon seit etwa fünf Jahren in dem Werkstattbereich und zeigt ihm schnell die Abläufe. Gemeinsam fertigen sie Sonderpaletten für die Industrie.
Abenteuer gewagt
Dominik Pick, eigentlich ebenfalls in der Schreinerei tätig, nutzt den Schichtwechsel, um einen Arbeitsplatz bei NeuFilter kennenzulernen. Das Gronauer Unternehmen produziert Filter aus recycelbarem Karton. „Als Kunde kennen wir die Wittekindshofer Werkstätten gut, daher freuen wir uns, an der Aktion beteiligt zu sein“, erklärt Produktionsleiter Robin Schleiner. Aufgrund personeller Engpässe konnte NeuFilter zwar keinen eigenen Mitarbeitenden entsenden, wollte die Aktion jedoch dennoch unterstützen.
„Unser Ziel ist es, für Menschen mit Beeinträchtigung den passenden Arbeitsplatz zu finden – manchmal in einer Werkstatt, manchmal auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt“, betont Sandra Büning, Bereichsleiterin für Bildung, Qualifizierung und Arbeitsmarktorientierung. Sie dankte allen Beteiligten: „Schön, dass Sie dieses Abenteuer mit uns gewagt haben und Ihre Schicht getauscht haben.“
Der Schichtwechsel
Die Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen (BAG WfbM) koordiniert den Aktionstag Schichtwechsel auf Bundesebene seit 2019. Entwickelt wurde er im Jahr 2017 von den 16 Berliner Werkstätten und der Landesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen Berlin. Laut BAG WfbM haben sich in diesem Jahr so viele Menschen an der Aktion beteiligt, wie noch nie zuvor: Rund 4.200 Menschen, darunter mehr als 2.400 Werkstattbeschäftigte mit Beeinträchtigung und rund 1.800 Mitarbeitende aus Unternehmen des allgemeinen Arbeitsmarktes.