Mit allerlei Extras ausgestattet Wittekindshofer Betriebsstätte MeHoTec baut CNC-Fräsmaschine selbst

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Die Projektgruppe des Vorrichtungsbaus mit Kai-Daniel Wodtke (von links), Torsten Jeschke, Rolf Zabrock und Sven Diener präsentieren die neue CNC-Fräsmaschine, die sie gemeinsam gebaut haben. Das Bedienelement ist entlang der gesamten Länge verschiebbar, eine Bedienung mit nur einer Hand möglich und der Füllstand der Kühlflüssigkeit wird mittels eines zusätzlichen Sensors überprüft.

Bad Oeynhausen/Espelkamp (JP). Besondere Bedürfnisse von Beschäftigten und Anfragen von Kunden erfordern individuelle Lösungen. Deshalb haben die Wittekindshofer Werkstätten einen eigenen Vorrichtungsbau. Hier baut Torsten Jeschke in der Betriebsstätte MeHoTec (Metall – Holz – Technik) an der Dornenbreite in Bad Oeynhausen gemeinsam mit Werkstattbeschäftigten Vorrichtungen und Maschinen. Gerade hat der gelernte Elektriker eine vier Meter lange CNC-Fräsmaschine gebaut, die ungefähr 1,5 Tonnen auf die Waage bringt und Werkstücke bis drei Metern Länge bearbeiten kann. So können nun Anfragen nach großen Bauteilen bedient werden und das von Menschen mit Behinderung.

"Die gängigen Standard-Portal-Fräsen zur Aluminiumbearbeitung auf dem Markt haben eine Größe von 2,5 mal 2 Metern und können Teile bearbeiten, die maximal einen Meter lang sind. So große Maschinen wie wir jetzt eine selbst bauen, sind für uns eher selten", erklärt Torsten Jeschke.

Er kam Anfang der 2000er-Jahre zum Wittekindshof, arbeitete zunächst in Wohnbereichen und absolvierte bis 2006 noch eine Ausbildung zum Erzieher. 2009 wechselte er in die Wittekindshofer Werkstatt an der Dornenbreite: "Es kam immer wieder vor, dass Maschinen aufgrund technischer Probleme ausgefallen sind. Damals hatte ich von deren Reparatur keine Ahnung, habe mich aber in die Materie reingefuchst und sie selbst wieder in Stand gesetzt", berichtet der Elektriker.

Maschinen optimiert

Sein Wissen weitete sich aus, so dass er die großen Maschinen und Fräsen, wie sie im Metall- und Holzbau zum Einsatz kommen, schließlich sogar optimierte – etwa mit speicherprogrammierbare Steuerung (SPS) mit Touchpanel oder Sprachausgabe ausstattete: "Dies ist beispielsweise für Menschen hilfreich, die eine Spastik haben und nicht gleichzeitig mit einer Hand einen Knopf am Bedienelement des Geräts drücken und mit der anderen Hand eine Sicherheitsschutzhaube hochschieben können.“

Jeschke sei es immer wichtig, über den Tellerrand zu schauen und aktuelle Technik zur Anwendung zu bringen, etwa durch berührungslose Sensorik und universell programmierter Touchdisplays mit intuitiver Menüführung, die direkt an die Anwender und Anwenderinnen angepasst werden.

Mit Sprachausgabe konzipierte er letztes Jahr einen Montageautomat an dem nun ein junger Mann mit starker Sehstörung selbstständig Baugruppen fertigen kann, da alle Bedienelemente und Maschinenfunktionen per Sprachausgabe begleitet werden. "Mit diesen individuellen Lösungen können wir Menschen mit Behinderung anspruchsvolle Arbeitsplätze bieten und dabei ihre höchste Sicherheit gewährleisten. Auf dem Markt kosten solche Spezial-Anfertigungen viel Geld und die Refinanzierung ist nicht immer leicht", erklärt Jeschke.

Werkstattbeschäftige beteiligt

Eine Fräse, wie er sie derzeit baut, koste ungefähr 75.000 Euro – ohne Sonderanfertigungen. Und der Clou: An der Optimierung und dem Bau der Maschinen sind wiederum auch Werkstattbeschäftigte beteiligt. Im Falle der neuen CNC-Fräse haben Kai-Daniel Wodtke und Sven Diener etwa bei den Schweißarbeiten geholfen. Die jungen Männer haben in der Betriebsstätte MeHoTec ihren Schweißerschein gemacht und erneuern ihn regelmäßig. Unterstützt wurden sie bei den Arbeiten von Torsten Jeschke und seinem Kollegen Rolf Zabrock, der früher in der Weserhütte gearbeitet hat und dort jahrelange Erfahrung in der Anlagen- und Maschinenbauindustrie sammelte.

"Die großen Träger zur Achsaufhängung haben wir in der Wittekindshofer Werkstatt im Gründer- und Anwenderzentrum (GAZ) in Espelkamp fräsen lassen. Der dortige Betriebsleiter Stephan Nelke hat mit seiner Mannschaft tüchtig unterstützt. Das komplette Rahmengestell wurde hier bei MeHoTec zugeschnitten und verschweißt. Lackiert wurden die Einzelteile in unserer Holzabteilung ebenfalls hier vor Ort. So wurden noch mehr Menschen eingebunden", berichtet Jeschke, der sich allerlei Finessen und Modifikationen für die neue Fräse hat einfallen lassen: So kann das Bedienmodul entlang der gesamten Maschinenlänge geschoben und somit individuell für jeden Menschen eingestellt werden.

Und in den Behälter mit Bioethanol, der zum Kühlen der Bauteile benötigt wird, wurde ein Sensor eingebaut, der vor und nach der Arbeit an die Kontrolle des Füllstandes erinnert und zur Not bei zu niedrigem Stand alarmiert und die Bearbeitung unterbricht. "Die Kontrolle wird hin und wieder vergessen. Mit dem Sensor kann eine Überhitzung ausgeschlossen werden und durch die ständige Erinnerung wird ein Lerneffekt erzielt", erklärt der gelernte Elektriker.

"Alle Standards erfüllt"

Selbstverständlich kommt die Fräse nicht ohne Betriebsanleitung, CE-Prüfung und mit Kooperation des TÜVs zum Einsatz. "Wir fertigen eine umfangreiche offizielle Dokumentation an, die für den Maschinenbau nötig ist", führt der Fachmann aus und zeigt einen dicken Ordner, in dem er alles ins Detail aufgezeichnet und beschrieben hat. Jeschke besucht für diese notwendigen Dokumentationen regelmäßig Schulungen: "Wir wollen sicherstellen, dass alle Standards erfüllt werden."

Anfang dieses Jahres startete der Bau der neuen Fräse, derzeit werden die letzten Arbeiten verrichtet, dann können in der Wittekindshofer Betriebsstätte bald Maßanfertigungen hergestellt werden: etwa für Solarpanels oder Aluprofilschienen, die in der Möbelindustrie eingesetzt werden, um verschiebbare Lösungen für Flatscreens zu bieten. "Es gab immer mehr Anfragen zu besonders langen Bauteilen. Nun können wir diese als zuverlässiger Partner bedienen", so Jeschke.

"Mit Maschinen, Technik und speziellen Vorrichtungen befähigen wir Menschen mit Einschränkungen, schwierige Aufgaben mit höchster Genauigkeit und Qualität zu meistern. Ein echter Tüftler und Spezialist wie Torsten Jeschke ist ein ganz wichtiger Bestandteil der Arbeitsorganisation unserer Werkstätten. Von seiner Kreativität und seinen Ideen lebt unser Vorrichtungsbau. Unsere Beschäftigten können dank seiner Vorrichtungen Arbeiten bewältigen, an die vorher nicht zu denken war", betont der zuständige Geschäftsbereichsleiter Bernd Wlotkowski.