„Große Qualitätsunterschiede in der Ausbildung von Assistenzhunden“ VITA-Gründerin Tatjana Kreidler im Interview

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Im Interviews ordnet VITA-Gründerin Tatjana Kreidler die Novellierung des Teilhabestärkungsgesetzes ein und spricht über die Ausbildung von Assistenzhunden.

Wer bildet Assistenzhunde aus?

Der Begriff des Assistenzhundes ist nicht geschützt. Wir als Mitglied der ADEu, dem Dachverband der Assistenzhunde Europas mit hohen und einheitlichen Standards, beobachten mit äußerster Skepsis und Besorgnis, wie der Markt aufgrund der Popularität dieser Hunde und der in den einzelnen Ländern fehlenden Regularien mit unzureichend ausgebildeten und nicht qualifizierten Assistenzhunden in allen Bereichen überschwemmt wird.

Wenn man VITA etwas kennt, weiß man, dass wir mit der Ausbildung von Assistenzhunden für körperlich behinderte Kinder absolute Pionierarbeit geleistet haben. Für uns besteht unsere Arbeit nicht nur in der Ausbildung der Hunde, sie geht weit darüber hinaus. VITA verfolgt von Beginn an ein sozialtherapeutisches Gesamtkonzept, das eine intensive Zusammenführung über einen langen Zeitraum sowie die regelmäßige und ebenso intensive Betreuung und Nachschulung unserer VITATeams in den Fokus stellt. Unsere Teams werden von unserem Verein ein Hundeleben lang und darüber hinaus begleitet.

Was kostet eine Ausbildung, und wie wird sie finanziert?

Unser Verein stellt Menschen unabhängig ihrer finanziellen Situation einen vierpfotigen Partner zur Seite. Die Kosten für die Zeit des Aufwachsens und der Ausbildung eines Assistenzhundes ohne die hundelebenslange Nachbetreuung belaufen sich auf durchschnittlich 35.000 Euro. Die Finanzierung unserer VITA-Assistenzhunde erfolgt vollständig durch Spender, Dauerspender, Stiftungen und Sponsoren, genauso auch die Ausbildung und Nachbetreuung der Teams (Mensch und Hund). Darüber hinaus gibt jeder Teampartner, so viel er kann, sollte sich aber zumindest anteilig an den Kosten beteiligen und bei der Suche nach Spendern oder Förderern aktiv unterstützen. Denn was viele nicht wissen: Wir erhalten leider keine öffentlichen Fördermittel, und die Krankenkassen beteiligen sich nicht an den Kosten für einen Assistenzhund.

Kürzlich ist die Novellierung des Teilhabestärkungsgesetzes in Kraft getreten. Welche Verbesserungen bringt es für Menschen und ihre Assistenzhunde?

Bislang erkennen die deutschen gesetzlichen und privaten Krankenkassen den Assistenzhund nicht als Hilfsmittel für Menschen mit körperlicher Behinderung an. Eine Ausnahme ist die Ausbildung von Blindenführhunden, die entsprechend dem Hilfsmittelkatalog von Krankenversicherungen übernommen wird. VITA setzt sich seit Jahren dafür ein, dass auch die Ausbildung von Therapie- und Assistenzhunden von den Krankenkassen gefördert wird, und informiert regelmäßig über die kleinen Wunder, die unsere Assistenzhunde bei ihren Menschen vollbringen können.

Den Entwurf des Teilhabestärkungsgesetzes sehen wir als wichtiges und richtiges Signal und freuen uns sehr, dass unser Verein als Experte des Gremiums des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zu Rate gezogen wurde. Menschen mit Behinderung sollen künftig einen Rechtsanspruch auf die Begleitung durch Assistenzhunde in öffentlichen Gebäuden haben. Das sieht das Teilhabestärkungsgesetz vor. Um ein hohes Niveau der Assistenzhundeausbildung zu sichern, legt der Gesetzentwurf fest, dass die Hunde immer ganzheitlich, also im Zusammenwirken von Mensch und Tier, betrachtet werden. Das ist übrigens bei VITA seit Gründung des Vereins vor 21 Jahren Standard. Die Teams müssen von einer zertifizierten Ausbildungsstätte ausgebildet und von einer unabhängigen Person geprüft werden. Dadurch sollen verlässliche Qualitätsstandards in der Assistenzhundeausbildung gesetzt werden.

Unser Verein erhielt bereits 2007 als erster Verein auf dem europäischen Festland Bislang erkennen die gesetzlichen und privaten Krankenkassen Assistenzhunde nicht als Hilfsmittel für Menschen mit körperlicher Behinderung an. Tierisch die Zertifizierung der Assistance Dogs Europe (ADEu). Das Gütesiegel belegt, dass VITA nach höchsten internationalen Standards arbeitet. Der ADEu und dessen internationaler Partnerverein Assistance Dogs International (ADI) sind die Dachverbände für alle seriösen Vereine, die Assistenzhunde für Menschen mit Behinderungen ausbilden. Sie setzen hohe Qualitätsstandards, insbesondere was das Wohlergehen der Hunde betrifft. Die Mitgliedsorganisationen akzeptieren festgelegte Regeln und Vorschriften, welche die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Hund definieren.

Wo besteht es aus Ihrer Sicht Nachbesserungsbedarf?

Solange Assistenzhunde nicht nach international geltenden Richtlinien ausgebildet werden, wird es große Qualitätsunterschiede geben. Das ist zweifelsohne ein großes Problem. Bis jetzt ist der Begriff des Assistenzhundes nicht geschützt und somit lässt sich der Titel schnell vergeben. Sobald ein Assistenzhund, wie unsere VITA-Hunde, nach den internationalen Standards des ADI und ADEu zertifiziert ist, gibt es auch international keine Hürden.