Bunter Hund Atila ist auf dem Gründungsgelände im Einsatz

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„Atila kann sowohl laut, als auch leise“, sagt Britta Turner über ihren fuchsroten Mischlingsrüden. Laut sein, im Sinne von Menschen aktivieren und motivieren; leise sein, im Sinne von anderen die Angst nehmen, präsent sein. „Denn das Aufgabenfeld eines Therapiehundes ist breit gefächert“, weiß Turner. Die examinierte Erzieherin ist in den Tagesstrukturierenden Angeboten (TSA) im Haus Morgenstern auf dem Gründungsgelände in Volmerdingsen tätig. 2009 hat sie ihre Zusatzausbildung zur Fachkraft für tiergestützte Therapie und Pädagogik absolviert.

Seit fast zehn Jahren ist Atila in der Diakonischen Stiftung Wittekindshof im Dienst. „In Hundejahren umgerechnet sind es sogar 70“, setzt sein Frauchen schmunzelnd hinzu. Zehn Jahre, in denen Atila seine Vielseitigkeit immer wieder unter Beweis gestellt hat. Sei es bei Parcours-Läufen im Kinder- und Jugendbereich, bei Gruppenangeboten in der TSA oder als Begleiter auf dem letzten Lebensweg. „Die Sterbebegleitung war eine intensive Erfahrung. Sie gehört aber nicht unbedingt zum Standard von Therapiehund-Einsätzen, sondern ist nur sinnvoll, wenn Mensch und Tier schon vorher eine Beziehung hatten. Atila hat sich mit ins Bett gelegt und einfach Körperkontakt gesucht. Man hat sofort gespürt, wie sich die Stimmung im Raum entspannte, der Blutdruck des Menschen sank, die Atmung wurde ruhiger“, erinnert sich Turner.

Ernie war der Erste

Angefangen hat es mit dem Berner Sennenhund Ernie. Er war Turners erster Therapiehund. „Ich hatte eigentlich immer Hunde in meinem Leben und wollte das mit meiner Arbeit beim Wittekindshof verbinden.“ Aus diesem Grund entschied sie sich dazu, die Zusatzqualifikation in Tiergestützter Intervention zu erlangen. Nachdem Ernie in den Ruhestand ging, folgten der Berner Sennenhund Elijah und nun Atila. „Für Therapiehunde gibt es kein offizielles Renteneintrittsalter, jeder Hund ist anders und reagiert unterschiedlich. Daher ist es wichtig, frühzeitig Stresssignale und Ermüdungserscheinungen zu erkennen.“

Nur gesunde Tiere sollten in der Tiergestützten Intervention eingesetzt werden. „Gleichzeitig hilft es einem Junghund, wenn er sich an einem älteren orientieren kann“, sagt Turner. „Atila kennt das Gründungsgelände von klein auf. Er hat Elia und mich seit seiner 18. Lebenswoche zur Arbeit begleitet. So konnte er sich eingewöhnen, die Menschen kennenlernen, aber auch die Hilfsmittel, wie Rollstühle oder Rollatoren.“

Atila ist geduldig

Mittlerweile ist Atila bekannt wie ein sprichwörtlicher bunter Hund. Wo immer der kniehohe Mischlingsrüde auftaucht, sind ihm Streicheleinheiten gewiss – auch bei Alfred Zoch, der die TSA im Haus Morgenstern besucht. Freudig lacht der 84-Jährige, als Atila an ihm vorbeisaust, um den von ihm geworfenen Tennisball wieder einzusammeln. Anschließend geht es in den TSA-Raum. Atila wartet geduldig, ehe der Senior ihm nach und nach sein Futter auf den Teller legt. „Alfred und Atila sind schon ein eingespieltes Team. Routinen sind wichtig in unserer Arbeit. Sie geben zum einen Struktur, und zum anderen lassen sich so beispielsweise motorische Fähigkeiten immer wieder trainieren“, sagt Turner.

Während Atila draußen richtig aufdreht und jedem geworfenen Ball hinterherwetzt, schaltet er drinnen einen Gang herunter. „Ruhezeiten sind wichtig und die Einheiten auf 30 Minuten begrenzt“, betont Turner. Nach dem Essen zieht Atila sich auf seinen Schlafplatz zurück. Während die TSA-Teilnehmenden handwerklichen Arbeiten nachgehen, hat er nun Feierabend.

Was ist Tiergestützte Intervention?

Unter Tiergestützten Interventionen versteht man alle pädagogischen, therapeutischen oder sonstigen Maßnahmen, in denen Tiere in unterschiedlicher Art und Weise einbezogen werden.

Darunter fällt die Tiergestützte Therapie, die ausschließlich von ausgebildeten Therapeuten und Therapeutinnen (Ergo-, Physio- und Psychotherapeutinnen und -therapeuten sowie Logopäden und Logopädinnen) ausgeführt wird. Ziel ist es dabei, die Lebenshaltungskompetenzen zu stärken und zu fördern und dabei eine positive Auswirkung zu erzielen.

In der Tiergestützte Pädagogik sind nur ausgebildete pädagogische Fachkräfte (Erzieher und Erzieherinnen sowie Sozial-, Behinderten- und Heilpädagogen und -pädagoginnen) im Einsatz. Im Fokus stehen das Lernen, die Steigerung von Verantwortungsgefühl und sozialen Kompetenzen sowie die körperliche und emotionale Entwicklung.

Tiergestützte Fördermaßnahmen und Aktivitäten sind ein weiterer Teil der Intervention. Sie können unabhängig von einem therapeutischen oder pädagogischen Beruf ausgeführt werden. Im Vordergrund steht hier eine gemeinsam mit dem Tier ausgeführte Aktivität, die jedoch keine konkreten und ausformulierten Förderziele verfolgt. „Die Freude am Umgang mit Tieren und deren Wohlergehen sind grundlegende Inhalte“, sagt Britta Turner. „In der Praxis lassen sich diese drei Formen schwer voneinander trennen, denn in der Regel beeinflussen sich diese Bereiche gegenseitig.“

Durchblick

Der Bericht ist in der Ausgabe "Tierisch" des Magazins "Durchblick" erschienen. 

Weitere Informationen zu den Wittekindshofer Angeboten in Bad Oeynhausen gibt es hier