Schweinemassage in der Sulkshege Gruppenraum des Kinder- und Jugendhauses verwandelt sich in Tiergehege

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Fritz rollt sich auf die Seite und schließt die Augen. Mit einer Klobürste kniet Samuel vor dem Minischwein und streicht ihm über Bauch und Hinterläufe. Der Eber streckt alle Viere von sich, und wer genau hinhört, kann ein leises, genüssliches Schmatzen hören. „Das ist gar keine Klobürste, sondern eine Schweinebürste!“, wirft Alois Terhürne ein und fügt mit einem Augenzwinkern hinzu: „Eigentlich ist sie zur Schweinemassage gedacht. Aber wir Menschen haben sie zweckentfremdet.“ Samuel lacht.

Alois Terhürne und Fritz gehören zum menschlichen und tierischen Team der Eseltherapie Terhürne. Sie sind gern gesehen Gäste im Wittekindshofer Kinder- und Jugendhaus an der Sulkshege in Hamm. Einmal im Monat verwandelt sich der Gruppenraum im Obergeschoss oder der Garten des Wohnhauses in ein kleines Tiergehege. Einige der Gäste kennen die Kinder bereits sehr gut. „Lisa!“, ruft Sophia erfreut aus, als sie den Raum betritt. Wenige Sekunden später sitzt die 16-Jährige mit der Königspudeldame auf dem Sofa und krault ihr das Fell. Auch Zwergpudel Lumpi bekommt sofort einige Streicheleinheiten ab.

Auf der langen Tischreihe einige Meter weiter sind Handtücher ausgebreitet. Darauf haben es sich Kaninchen und Meerschweinchen gemütlich gemacht und mümmeln an Salatblättern, die ihnen Selina entgegenhält. „Hey Maja, nicht!“, tönt es von der anderen Seite des Tisches. Gemeinsam mit dem schwarzen Seidenhuhn Hanni hat sich das Paduaner- Huhn die Salatblätter geschnappt. Die Kaninchen lassen sich davon nicht aus der Ruhe bringen. Und Alois Terhürne auch nicht. „Es ist genug für alle da“, sagt er und holt Futternachschub aus einer der mitgebrachten Boxen. Die Hühner haben sich nun trotzdem eine Pause vom Trubel verdient und dürfen zurück in ihren Käfig.

Auf Tuchfühlung mit Turbo

Ablöse naht: „Wer möchte mal eine Schnecke auf die Hand nehmen?“, fragt Terhürne in die Runde. Selina streckt zögernd die Hand aus. „Ich weiß nicht, die fühlen sich doch ganz glitschig an“, hadert sie erst, traut sich dann aber: „Die sind ganz weich.“ Doch noch ziert sich Achatschnecke Turbo etwas davor, aus ihrem Haus zu kriechen. „Hab Geduld, sie ist nicht die schnellste.“ Terhürne setzt sich zu dem Mädchen. „Fressen Schnecken auch Salat?“, möchte Selina wissen. Terhürne hält der Schnecke ein Blatt vor die Haustür. Und siehe da, Turbo regt sich und streckt die Fühler aus. „Damit kann die Schnecke sehen, dort sitzen ihre Augen“, erklärt Terhürne. „Und der Schneckenschleim macht eure Haut ganz weich.“ Selina reibt die Hände aneinander. „Fühlt sich wie Hautcreme an“, stellt sie erstaunt fest.

„Tierpädagogische Angebote werden in der Regel nicht von anderen Kostenträgern finanziert. Wir sind sehr froh, dass wir den Mädchen und Jungen dank zahlreicher Spenden diese monatlichen Besuche ermöglichen können. Im Umgang mit den Tieren fällt ihnen die Kontaktaufnahme oft leichter. Ängste und Hemmungen werden abgebaut. Das stärkt das Selbstvertrauen und die Sozialkompetenz“, sagt Kristina Jässing. Sie ist als stellvertretende Bereichsleitung für das Wohnhaus mitverantwortlich. Seit Jahren bestehe ein guter Kontakt zur Eseltherapie. „Einmal im Jahr besuchen wir zudem den Hof der Eseltherapie und feiern ein Sommerfest.“ Pandemiebedingt musste das Fest in diesem Jahr bereits zum zweiten Mal ausfallen. Jässing: „Umso wichtiger sind deshalb die regelmäßigen Besuche an der Sulkshege, die mittlerweile wieder möglich sind.“

Zeit der Katzen

Hündin Lisa hat sich derweil zum Schlafen zurückgezogen. „Wir achten darauf, dass die Tiere genug Pausen haben, jede Einheit nur 30 Minuten dauert und jedes Tier nur ein bis zwei Einsätze pro Tag hat. Das ist so vom Veterinäramt vorgeschrieben“, betont Alois Terhürne. Während die Hunde pausieren, schlägt die Stunde von Feeli und Fussel. Die beiden Katzen springen aus ihren Boxen und schnuppern kurz an den Schneckenhäusern. „Keine Sorge, die kennen sich alle und vertragen sich untereinander“, beruhigt Terhürne die Jungen und Mädchen.

Samuel legt indes die Schweinebürste beiseite. Vorsichtig streicht der 13-Jährige Fritz mit der Hand noch einmal über den Bauch. „Das ist eine besonders empfindliche Stelle“, erklärt Iris Mebus-Melnik. Sie ist Fachkraft für Tiergestützte Intervention bei der Eseltherapie. „Wisst ihr, warum sich Schweine suhlen?“, fragt sie in die Runde. Die Jungen und Mädchen schütteln die Köpfe. „Damit der Bauch nicht verbrennt, wenn die Sonne so stark scheint.“ Fritz steht auf. Langsam trottet das Minischwein auf seine fahrbare Box zu. Der tierische Besuch hat nun Feierabend. Fritz grunzt noch einmal zum Abschied. Nächsten Monat gibt es für ihn wieder eine ordentliche Massageeinheit im Kinder- und Jugendhaus an der Sulkshege.

Die Eseltherapie Terhürne bietet seit 2005 tiergestützte Interventionen an: Das Team besucht Schulen, Kindergärten, Kinderklinken, Psychiatrien, Wohnhäuser für Menschen mit Behinderung, Senioreneinrich- tungen und vieles mehr. „Unsere Tiere sind alle ausgebildet und haben ein jahrelanges Training hinter sich. Die Tiere werden regelmäßig durch den Tierarzt untersucht und unterliegen den Kontrollen des Veterinäramtes“, sagt Geschäftsführerin Bianca Terhürne. Neben Eseln, Schweinen und Schafen gehören auch Kleintiere zum tierischen Team, darunter Hunde, Katzen, aber auch Gänse und Schnecken. 

Durchblick

Der Bericht ist in der Ausgabe "Tierisch" des Magazins "Durchblick" erschienen. 

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