Ein Akt der Nächstenliebe Christian Pohlmann ist als einer der ersten Mitarbeitenden im Wittekindshof geimpft worden

Weitere Meldungen ansehen:

Donnerstag, 21. Januar 2021, 12 Uhr Uhr: Christian Pohlmann macht seinen Oberarm frei. Die Ärztin setzt zum Piks an, die Nadel durchsticht Pohlmanns Hautschichten, das Serum des Herstellers Biontec/Pfizer dringt in den Körper des Krankenpflegers ein. Klingt wie ein Krimi. War es gefühlt auch.

"Die Aufregung vor der Impfung war bei uns allen deutlich spürbar. Kommt der Impfstoff? Wird es Nebenwirkungen geben? Und wie geht es weiter?", berichtet Diakon Pohlmann, der als einer der Ersten im Wittekindshof die langersehnte Impfung gegen das Coronavirus erhielt.

Vulnerable Gruppe

Christian Pohlmann ist Bereichsleitung im Haus Bethanien und verantwortlich für ein spezialisiertes Team in Volmerdingsen mit außerklinischer Intensivversorgung, etwa bei Beatmungspflicht und Atemunterstützung. Menschen, die in dieser spezialisierten Wohngruppe leben, gehören aufgrund der Schwere ihrer Behinderung sowie weiteren Erkrankungen zur besonders vulnerablen Gruppe und gemäß der bundesweiten Impfstrategie zur höchsten Prioritätsstufe. Sie werden, sofern der Wunsch besteht, als Erste im Wittekindshof gegen das Coronavirus geimpft. Ebenso die Mitarbeitenden, die in dem Wohngruppenteam arbeiten.

Die Impfbereitschaft in diesem Team ist groß: Alle 23 Frauen und Männer mit Behinderung und mehr als 70 Prozent der Mitarbeitenden lassen sich das Serum injizieren. Danach herrscht Erleichterung. "Machen wir uns nichts vor: Eine Infektion wäre für die meisten unserer Klienten und Klientinnen tödlich verlaufen. In den Wohngruppen galt von Beginn der Pandemie an höchste Vorsicht." Die Schutzmaßnahmen sind erfolgreich. Ein Eintrag des lebensgefährlichen Virus fand bislang nicht statt.

Allerdings macht sich nach der ersten Injektion eine leichte Abgeschlagenheit bei einigen Mitarbeitenden breit. "Bei den Bewohnerinnen und Bewohnern haben wir keine großartigen Nebenwirkungen vernommen. Manch einer wirkte matter. Wir haben vorsorglich Fieber gemessen und genau beobachtet, ob es Veränderungen in ihrem Verhalten gibt. Denn die meisten können sich nicht zu ihrem Gesundheitszustand äußern", erklärt der Diakon.

"Schwere Verläufe unwahrscheinlicher"

Am 11. Februar folgt der zweite Piks. Danach sieht es etwas anders aus mit den Nebenwirkungen bei den Mitarbeitenden. Diese übersteigen die Abgeschlagenheitssymptome deutlich – aber nicht bei allen. "Ein kleiner Teil der Mitarbeitenden hatte heftige Reaktionen auf die zweite Impfung." In einem Fall sogar mehr als 24 Stunden Fieber, das an der 40-Grad-Marke kratzte. "Bei den Bewohnerinnen und Bewohnern konnten wir wieder kaum Veränderungen feststellen. Kein Fieber bei den prophylaktischen Messungen, keine anderen Beschwerden. Sie haben das deutlich besser weggesteckt", sagt Pohlmann mit einem Lachen.

Aber die körperlichen Beschwerden der Kolleginnen und Kollegen verschwinden. Vor allem sinkt aber die psychische Belastung der Mitarbeitenden. "Das Paket der Gesamtsituation drückt nicht mehr so schwer auf die Schultern. Eine gewisse Angst, die bezeichnend war, ist weniger stark. Wir haben vor den Impfterminen im Team natürlich viel gesprochen und uns ausgetauscht. Niemand möchte der- oder diejenige sein, die eventuell das Virus einträgt oder womöglich zum Superspreader wird. Wenn es nun doch passiert, weiß man um den Schutz unserer Leute hier im Haus. Was nicht bedeutet, dass die Schutz- und Hygienemaßnahmen zurückgefahren werden. Die werden uns noch länger begleiten. Aber schwere Infektionsverläufe sind nun unwahrscheinlicher", betont Pohlmann.

"Ich bin entspannter"

Und wie lebt es sich nun mit dem vollen Impfschutz? Auf der Arbeit hat sich nichts verändert. Weiterhin werden seine Mitarbeitenden und er alle 48 Stunden POC-getestet. "Aber ich bin irgendwie entspannter in meinen Entscheidungen. Die Impfung ist kein Berechtigungsschein, nun auf die geltenden Regeln zu verzichten. Auch nicht im Privaten. Da musste ich mich selbst mehrfach wieder etwas einnorden. Ich bin großer Verfechter vom Abstandhalten, habe ich mich aber auch dabei erwischt, wie ich darüber nachgedacht habe, Menschen in den Arm zu nehmen. Etwa meine Familie. Aber von ihnen ist niemand geimpft."

Als Geimpfter müsse man sich vor Augen halten, dass es einfach noch nicht wieder an der Zeit sei, in den Alltag, wie man ihn vor der Corona-Pandemie kannte, zurückzukehren. Das wäre ein Trugschluss. "Ich habe mich impfen lassen, um ein Teil davon zu sein, dass wir gemeinsam aus der Pandemie herauskommen. Sicherlich auch zu meinem eigenen Schutz. Aber insbesondere war es für mich ein Akt der Nächstenliebe."